Infos ueber Gesundheit in leichter Sprache
26. August 2022
Auf den Seiten www.gesund-im-netz.net (für Erwachsene) und www.klick2health.net (für Kinder) können Sie sich darüber informieren, wie Sie im Internet Gesundheitsinformationen suchen, finden und beurteilen können. Es gibt unter anderem eine Liste mit Links zu Seiten mit Informationen zur Gesundheit in Leichter Sprache. Die Internetseiten wurden von einer Forschungsgruppe der Universität zu Köln erstellt.
Wie kann ich Infos zu Gesundheit im Internet finden? Wie kann ich diese Infos bewerten? Wo finde ich Hilfe zu Gesundheitsthemen im Internet? Antworten auf diese Fragen finden Sie auf den Seiten. Die Inhalte sind in Leichter Sprache verfügbar.
https://www.gesund-im-netz.net/leichte-sprache-hauptseite/leichte-sprache-linkliste/
Fehlender Zugang zu gesundheitlichen Informationen über das Coronavirus in Gebärdensprache und mit Untertiteln
06. März 2020
Viele Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen sind derzeit wegen des Coronavirus besorgt und verunsichert. Sie stoßen durchgehend auf Barrieren, angefangen bei der Ansteckung. Ganz nach dem Vorbild der Ansteckungskette handelt es sich um eine regelrechte Barrierekette! Ein Videofilm des Vereins „Gemeinschaft, Inklusion, Bildung sind da“ (GIBDA e. V.) gibt dem Protest Ausdruck. Der Film mit dem Titel „Coronavirus – Risiken durch Ignoranz in punkto Aufklärung in Gebärdensprache“ in Deutscher Gebärdensprache und mit Ton und Untertiteln findet weite Verbreitung.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat auf seiner Website über das Coronavirus informiert und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat am 04.03.2020 eine Regierungserklärung zur Bekämpfung des Coronavirus abgegeben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) klärt auf seiner Website ausführlich über COVID-19 auf. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat Antworten auf häufig gestellte Fragen zum neuartigen Coronavirus auf ihrer Website veröffentlicht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat auf seiner Website den „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ veröffentlicht. Das Auswärtige Amt (AA) stellt auf seiner Website Informationen über das Coronavirus für Reisende bereit.
All diese sehr wesentlichen Gesundheitsinformationen sind jedoch nur in deutscher Schriftsprache und deutscher Lautsprache verfügbar. Sie sind nicht barrierefrei bzw. für Gehörlose und andere Menschen mit Hörbehinderungen nicht zugänglich, da die deutsche Schrift- und Lautsprache für sie eine Fremdsprache ist. Dies widerspricht der Notwendigkeit, dass sie in der Lage sein müssen, rechtzeitig zugängliche Informationen in Deutscher Gebärdensprache, ihrer Muttersprache, und mit Untertiteln zu erhalten, um bestmöglich für die eigene Gesundheit zu sorgen und die Ausbreitung von Infektionen zu minimieren.
Durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Webseiten und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen und durch die Artikel 8, 9, 11, 21 und 25 der UN-Behindertenrechtskonvention hat Deutschland sich verpflichtet, die Zugänglichkeit zu gesundheitlich relevanten Informationen in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln sicherzustellen. Alle fünf Bundesbehörden (BMG, RKI, BZgA, BBK und AA) dürfen laut BGG nicht benachteiligen bzw. diskriminieren. Dies tun sie jedoch in unserem aktuellen Fall. Sie müssen sich umgehend mit der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit in Verbindung setzen und für Abhilfe sorgen.
Andere Länder, z. B. Italien, Österreich und die USA haben bereits umgesetzt, dass Gebärdensprachdolmetscher/-innen vor Ort bei Pressekonferenzen eingesetzt und live im Fernsehen bzw. Internet übertragen werden. Das sind vorbildhafte Beispiele.
Daher appelliert der Deutsche Gehörlosen-Bund an alle öffentlichen Stellen des Bundes, alle lebenswichtigen Informationen in Deutscher Gebärdensprache und mit Untertiteln auf den Webseiten sowie über die sozialen Medienkanäle (Facebook, Twitter, Instagram) zur Verfügung zu stellen und alle übertragenen öffentlichen Ankündigungen, z. B. Pressekonferenzen, mit Live-Untertiteln zu versehen. Diese Informationen müssen zudem von qualifizierten Gebärdensprachdolmetscher/-innen vor Ort bereitgestellt werden.
Wir haben fünf Bundesbehörden in den letzten Tagen bereits angerufen und kontaktiert, doch stehen die konkreten Antworten zugunsten der besorgten gehörlosen Mitbürger/-innen bisher noch aus. Mit dieser Stellungnahme möchten wir auf unsere verbrieften Rechte hinweisen. Ansonsten sehen wir uns gezwungen, Anträge auf die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Schlichtungsstelle nach § 16 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) einzureichen, um weitere Abhilfe zu erreichen.
Die Stellungsnahme 03/2020 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.
Aufklärung Corona-Virus
05. März 2020
Dr. med. Ulrike Gotthardt
Stand: Anfang März 2020
Alle gebärden und sprechen derzeit über das Corona-Virus. Aber was muss man dazu wissen, was soll man tun? Im Internet gibt es dazu viele und auch verschiedene Informationen. Leider sind diese Informationen nur in der Schriftsprache gehalten, in der Sprachform der hörenden Menschen. Deswegen können viele gehörlose und hörbehinderte Menschen diese Informationen nicht immer gut verstehen. Auch gibt es dazu keine Videos mit Übersetzungen in die Gebärdensprache. Aus diesen Gründen hat der DGB hier noch einmal schriftlich, aber besser für gehörlose und hörbehinderte Menschen zu verstehen, wichtige Aspekte dieser Krankheit aufgeschrieben. Der DGB ist im Moment dabei, die Finanzierung und Herstellung von Videos mit Übersetzungen in die Gebärdensprache möglich zu machen.
Allgemeine Einleitung zum Corona-Virus:
Das aktuelle, neue Corona-Virus mit dem Namen 2019-nCoV wurde Ende 2019 beim Menschen bekannt. Es hat sich vom Tier auf den Menschen übertragen, es überträgt sich jetzt auch von Mensch zu Mensch. Deswegen ist noch nicht so viel darüber bekannt, z.B. über die Ansteckung und den Krankheitsverlauf. Es gibt noch keine Behandlung dafür und auch noch keine Impfung. Im Moment wird sehr intensiv danach geforscht, aber es braucht noch mindestens ein Jahr.
Daher gibt es im Moment immer wieder neue Informationen dazu. Ärzte und andere Fachleute, auch jeder Einzelne, müssen sich immer wieder neu informieren. Weil man die Verbreitung dieses Virus beschränken muss, werden bestimmte Gebiete, auch Orte oder Einrichtungen, gesperrt bzw. geschlossen. Die Personen, die sich angesteckt haben, müssen dann dort bzw. zu Hause bleiben, sie werden isoliert (= Quarantäne). Wenn man eine Reise machen möchte, vor allem in das Ausland, sollte man sich vorher informieren. Sonst kann es passieren, dass man unterwegs oder an seinem Reiseziel nicht weiterkommt.
Gesperrte Gebiete gibt es besonders in China und Italien. Mittlerweile ist aber die überwiegende Zahl der Länder weltweit von der Ausbreitung des Virus betroffen. Dabei können z.B. kleinere oder größere Gebiete gesperrt werden, ebenso können Züge aufgehalten werden oder es können in Zügen und an Flughäfen Kontrollen z.B. mit Fiebermessungen durchgeführt werden. Oder es können Zugreisende von den Behörden aufgefordert werden, vor dem Aussteigen ihre Namen, Adressen usw. anzugeben, falls man glaubt, ein Reisender in einem Zug ist an dem Virus erkrankt. Wenn die Untersuchung dieses Reisenden zeigt, dass er wirklich mit dem Virus angesteckt ist, dann können die anderen Reisenden informiert und isoliert werden.
Alle sollten sich daher regelmäßig informieren zur Krankheit, zum Krankheitsverlauf, zu gesperrten Gebieten u.a.
In Deutschland informiert man sich vor allem bei:
- Robert-Koch-Institut in Berlin: www.rki.de, diese Informationen sind besonders für Fachleute, z.B. Ärzte
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.bzga.de, diese Informationen sind vor allem für die allgemeine Bevölkerung gedacht
- Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: www.bkk.bund.de
- Reise- und Sicherheitshinweise vom Auswärtigen Amt: www.auswaertiges-amt.de
- Kontaktinfektion: Enger körperlicher Kontakt, Berührung einer kranken Person
- Tröpfcheninfektion: Einatmen von kleinen Tröpfchen, die das Virus enthalten und von einer kranken Person durch Niesen oder Husten verbreitet werden
- Schmierinfektion: Berührung von Gegenständen, auf denen sich das Virus befindet. Diese können wahrscheinlich mehrere Tage z.B. auf Metall (Türklinke), Glas oder Plastik überleben und damit ansteckend sein.
- Übertragung durch Stuhlgang und Mund: Dieses ist auch möglich, weil man das Virus im Stuhlgang von kranken Personen gefunden hat.
- Fieber (ca. 90% der kranken Personen) = Körpertemperatur über 38°
- trockener Husten (ca. 70% der kranken Personen)
- Entzündung im Rachen, z.B. als Kratzen im Hals
- Nasenentzündung, „Nasenlaufen“
- Muskelschmerz
- Schlappheit, Müdigkeit
- Durchfall
- Abstand halten zu Menschen, die Anzeichen einer Erkältung haben. Auch selbst Abstand zu anderen Menschen halten, wenn man erkältet ist. Beim Husten oder Niesen: Abstand mindestens ein bis zwei Metern von anderen Personen halten.
- Auf das Schütteln von Händen oder Umarmungen soll unbedingt verzichtet werden. Ein Lächeln und Winken trägt zum Schutz bei.
- Wichtig: allgemeine Sauberkeit (= Hygiene). Ganz besonders wichtig ist aber das richtige und gründliche Händewaschen über 20 bis 30 Sekunden mit Seife. Die Seife zerstört das Virus. Die Desinfektion der Hände ist bei richtigem Händewaschen dann nicht unbedingt notwendig.
- Das richtige Händewaschen können Sie auf https://www.youtube.com/watch?v=HwMDo_QZkkI sehen.
- Bitte beachten Sie dazu auch genau die Hygienetipps, die auf dem Plakat dargestellt sind (Link hier).
- In ein Einmaltaschentuch husten, niesen oder schnäuzen (= Nase putzen). Das Einmaltaschentuch in einen geschlossenen Behälter, z.B. Mülleimer mit Deckel, wegwerfen. In die Armbeuge niesen oder husten.
- Nach dem Naseputzen, Niesen oder Husten: die Hände gründlich waschen.
- Nicht das Gesicht anfassen, wenn die Hände nicht gewaschen sind.
- Möglichst nicht Oberflächen anfassen, die im öffentlichen Raum viel berührt oder angefasst werden, z.B. Türgriffe.
- Große Ansammlungen von Menschen vermeiden, also z.B. Vorsicht vor großen Kongressen, Tagungen, Konzerten. Es gibt aktuell sogar die Empfehlung, größere private Feiern nicht durchzuführen bis die Corona-Virus-Krankheitswelle wieder zurückgegangen ist.
Krankenhäuser sind seit 01.01.2020 nicht mehr für die Dolmetscherkosten zuständig, sondern die Krankenkassen
25. Februar 2020
Am 14.12.2019 hat der Bundestag das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) beschlossen, das im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 51 verkündet wurde. Dort ist in Artikel 4 „Änderung des Krankenhausentgeltgesetzes“ und Artikel 6 „Änderung der Bundespflegesatzverordnung“ festgehalten:
„Nicht zu den Krankenhausleistungen (…) gehören (…) bei der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Hörbehinderung Leistungen der Dolmetscherassistenz zum Ausgleich der behinderungsbedingten Kommunikationsbeeinträchtigungen.“
Diese fast nebensächlich anmutende Einfügung im Rahmen der Gesetzesänderung ist für gehörlose Menschen jedoch von besonderer Wichtigkeit. Sie bedeutet einen großen Fortschritt im Hinblick auf eine gesundheitliche Versorgung, die sich den Möglichkeiten Nichtbehinderter annähert und wie sie entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert wird. Damit ist endlich ein wichtiger Schritt dahin getan, dass nicht nur eine massive Benachteiligung und ein großes Ärgernis, sondern auch eine nicht selten erfolgte gesundheitliche Gefährdung gehörloser Menschen enden kann.
Zuvor waren die Krankenhäuser verpflichtet, im Rahmen stationärer Behandlungen die Leistungen von Gebärdensprachdolmetschern für die Kommunikation mit gehörlosen Menschen zu zahlen. Die Kosten hierfür wurden quasi als eine Durchschnittspauschale in die Kostenkalkulation der Krankenhäuser einbezogen, konnten aber im jeweiligen Fall die tatsächlichen Kosten keineswegs ausgleichen. So versuchten Kliniken nicht nur, sich der Übernahme dieser Kosten zu entziehen; viele kannten diese Verpflichtung nicht, und auch entsprechende Gerichtsurteile führten nicht zu einer tatsächlichen Verbesserung der Kommunikation gehörloser Menschen im stationären Alltag eines Krankenhauses. So mussten Betroffene in stationärer Behandlung sich nicht nur mit ihren teils schweren Erkrankungen befassen, sie mussten auch immer wieder für den Einsatz und die Kostenübernahme der Gebärdensprachdolmetscher/-innen kämpfen – unter z. T. unwürdigen Bedingungen und unter Gefährdung ihrer Gesundheit durch Desinformation. In einzelnen Fällen wurden sie sogar von Krankenhäusern abgewiesen.
Nach Jahren der Proteste vieler gehörloser Betroffener und Verbände ist es nun dem Deutschen Gehörlosen-Bund zusammen mit anderen Behindertenverbänden gelungen, eine Änderung zu erreichen: Dieser absolut untragbare, unmenschliche, gehörlose Menschen und ihre Gesundheit gefährdende Zustand ist nun seit dem 01.01.2020 beendet!
In der Praxis wird dies bedeuten, dass gehörlose Menschen nicht nur wie bisher im Rahmen ambulanter Behandlungen einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Gebärdensprachdolmetscher/-innen durch die Krankenkassen haben. Ein vergleichbarer Anspruch besteht nun auch bei stationären Krankenhausbehandlungen, indem auch hier die Krankenkassen diese Kosten übernehmen müssen. Es ist zu erwarten, dass es anfangs, z. B. durch Unkenntnis aufseiten der Krankenhäuser oder Krankenkassen, mit der Kostenübernahme noch nicht reibungslos laufen wird. Es ist jedoch ein wichtiger Schritt getan, insofern mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt nun die notwendige Argumentationshilfe dafür vorliegt.
Dr. Ulrike Gotthardt als Fachteamleiterin für Gesundheit
Die Pressemitteilung 02/2020 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) BT-Drs. 19/13397 und zur öffentlichen Anhörung zur Reform des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) am 14.10.2019
10. Oktober 2019
Der Deutsche Gehörlosen-Bund e. V. vertritt die Interessen der deutschen gehörlosen und hörbehinderten Gebärdensprachnutzer/-innen. Zu diesen gehört neben den rund 83.000 Gehörlosen auch ein sehr großer und zunehmender Anteil von Hörbehinderten mit Hörrestigkeit und CI-Trägern, deren akustisches Verstehen trotz technischer Hilfen kaum dem entspricht, was Hörende als selbstverständlich empfinden. Diese Betroffenen sind zur Kommunikation mit Hörenden auf den Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher/-innen angewiesen.
In der ärztlich-medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung bevorzugen Gehörlose, wie Hörende auch, die direkte und ungefilterte Kommunikation mit den Behandler/-innen und dem Behandlungsteam. Die hierfür notwendige Gebärdensprachkompetenz des Personals ist in Deutschland bei nur sehr wenigen Diagnostik- und Behandlungsangeboten gegeben. So gibt es einzelne ambulant tätige Psychotherapeut/-innen und im stationären Krankenhausbereich neben einzelnen rehabilitativ ausgerichteten Kliniken zwei psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlungszentren in Erlangen und Lengerich.
In Anbetracht dieses sehr geringen Angebots für Gehörlose sind sie in nahezu der gesamten ambulanten und stationären somatischen Versorgung, sowie in einem Großteil der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen und einem kleineren Anteil der stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung auf Gebärdensprachdolmetscher/-innen angewiesen. Mittlerweile hat sich die Möglichkeit, im gesamten ambulanten Bereich Gebärdensprachdolmetscherhilfe mit unkomplizierter, direkter Kostenübernahme durch die Krankenkassen zu erhalten, als sehr effektiv und praktikabel erwiesen. Hierdurch erfahren Gehörlose mittlerweile eine ambulante Gesundheitsversorgung, die mit der von Hörenden vergleichbar ist. Dies hat den Rückmeldungen der Gehörlosen und unseren Beobachtungen zufolge den Gesundheitszustand der Gehörlosen in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert.
Demgegenüber bestehen jedoch im stationären Bereich – und hier vor allem im somatischen Bereich - immer noch erhebliche und untragbare Versorgungslücken für gehörlose Patient/-innen! Zwar ist im Rahmen der Kostenkalkulation mit dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) über die Fallpauschalen theoretisch die Inanspruchnahme von Gebärdensprachdolmetscher/-innen bei stationärer Leistungserbringung berücksichtigt, in der Praxis ist dies jedoch kaum umzusetzen: Immer wieder müssen Betroffene im Krankenhaus über diese Regelungen sowie die Bedeutung und ihren Bedarf an Gebärdensprachdolmetscher/-innen informieren, dies rechtfertigen und regelrechte Kämpfe gegen Unverständnis und Untätigkeit austragen. Oftmals ist dies so nervenaufreibend, dass die Betroffenen vorzeitig aufgeben oder bereits ohne ausreichende Informationen zur Diagnose und notwendigen Behandlung aus der stationären Behandlung entlassen sind, bevor sich die Klinik zum Einsatz von Dolmetscher/-innen durchringt. So sehen wir immer wieder unzureichend informierte gehörlose Patient/-innen, die notwendigen Behandlungen unverschuldet nicht wahrnehmen und infolge dieser Hilf- und Kommunikationslosigkeit die so notwendigen Kontakte zum Gesundheitswesen vermeiden. Auch sind Fälle bekannt geworden, bei denen Kliniken betroffene Gehörlose gerade deshalb, weil Dolmetscher/-innen erforderlich waren, zur elektiven Behandlung an andere Kliniken verwiesen haben. Selbst wenn die Rechtslage eindeutig ist, ist es im stationären somatischen Bereich für die zusätzlich durch Erkrankungen gehandicapten Gehörlosen nahezu unmöglich, ihre Rechte einzufordern und durchzusetzen.
In Anbetracht dieser untragbaren, z. T. unmenschlichen Situationen begrüßt es der Deutsche Gehörlosen-Bund ausdrücklich, dass mit dem Entwurf des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) eine diesbezügliche Änderung herbeigeführt werden soll. Demnach sollen laut Artikel 4 (Änderung des Krankenhausentgeltgesetzes) Nummer 1 (§ 2) die „...Leistungen von Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetschern bei der Krankenhausbehandlung von Menschen mit Hörbehinderung (…) nach § 17 Absatz 2 SGB I von den zuständigen Leistungsträgern (finanziert werden) (…), das heißt insbesondere von den Krankenkassen und den Unternehmen der privaten Krankenversicherung.“ In Bezug auf die Ausführungen zum Änderungsantrag 29 der Fraktionen der CDU/CSU und SPD heben wir ergänzend hervor, dass dies für sämtliche stationär-medizinischen Fachbereiche gelten sollte und zwar sowohl für stationäre somatische als auch für psychiatrische, psychotherapeutische und psychosomatische Behandlungen.
Ergänzend wird angemerkt, dass gerade die Bereiche der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Behandlungen sehr kommunikationsintensiv sind und der besonderen Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Hintergründe sowie eines angemessenen Behandlungsmilieus bedürfen, damit effektive Behandlungen durchgeführt werden können. Diese Erfahrung bestätigt auch die Berechtigung der bestehenden gehörlosengerechten Behandlungszentren, die bei entsprechend ausgebildetem Personal die direkte gebärdensprachliche Kommunikation ebenso das notwendige, entsprechende Stationsmilieu anbieten. Finanziert wird die besondere fachliche Qualifikation und Ausstattung zurzeit über einen Aufschlag zu den Tagessätzen, der sich jedoch bislang nicht im künftigen PEPP (Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik) abbildet. Zwei bisher erfolgte und durch den Deutschen Gehörlosen-Bund unterstützte Anträge an das InEK im Rahmen der OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel) für eine Komplexbehandlungsziffer für Gehörlose, um diese von den Krankenkassen bisher anerkannten Behandlungsangebote sicherstellen zu können, fanden bislang keine Resonanz.
Wir erbitten daher dringend Ihre Unterstützung
- in Bezug auf das MDK-Reformgesetz dabei, dass künftig die Leistungen von Gebärdensprachdolmetscher/-innen bei der Krankenhausbehandlung von Gehörlosen und Menschen mit Hörbehinderung ohne Ausnahme eines medizinischen Fachbereichs von den zuständigen Leistungsträgern finanziert werden.
- in Bezug auf das neue Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik dabei, dass die Anerkennung einer OPS-Ziffer zur Komplexbehandlung Gehörloser durch das InEK entsprechend den bisher vorliegenden Anträgen erfolgt.
Vorab-Stellungnahme zur künftig geplanten 7. Versorgungsmedizinischen Änderungsverordnung
01. Februar 2019
Bearbeitet von Dr. Ulrike Gotthardt und Lela Finkbeiner (Bereich Gesundheit)
In dieser, derzeit in Entwicklung befindlichen, 7. Änderungsverordnung, steht das Thema „Hören“ im Fokus.
Dazu gibt es bereits jetzt unterschiedliche Vorabinformationen, die sich jedoch noch nicht auf einen konkreten Entwurf zur 7. Änderungsverordnung berufen können.
Ungeachtet dieser derzeit noch unklaren Informationslage ist es dem DGB ein wichtiges Anliegen, zu seinen Grundpositionen bzgl. der Versorgung Gehörloser bzw. Hörbehinderter mit technischen Hilfsmitteln, einschließlich CI, in Verbindung mit dem Grad der Behinderung (GdB) und der Wertmarke Stellung zu beziehen.
GdB in Abhängigkeit von genutzter Technik
Gehörlosigkeit/Taubheit und Hörbehinderung sind bzgl. ihrer Potentiale wie auch ihren Einschränkungen bzgl. der Kommunikationsfähigkeit, der psychosoziale Entwicklung und anderen unterschiedliche Aspekten bei den einzelnen Hörbehinderten nicht vorhersehbar, nicht einfach kategorisierbar und für Außenstehende in ihrer Komplexität kaum beurteilbar.
Betroffene mit Resthörvermögen können heute zwar technisch weiterentwickelte Hörgeräte nutzen, jedoch sich hierbei mit Hörgeräten kein Hören erzielen, wie es Hörende kennen. D.h. die Betroffenen bleiben trotz Hörgeräten stark schwerhörig. Zudem sind sie damit abhängig von einer Technik, auf die man sich selten sicher verlassen kann, die heute komplexer und damit technisch anfälliger und für den Einzelnen kaum noch steuerbar ist. Zudem werden Geräte auf den Markt gebracht oder vom Markt genommen, wie sie den industriellen Interessen und nicht den individuellen Notwendigkeiten des einzelnen Hörbehinderten entsprechen. Oder es können z.B. viele Betroffene die Geräte nicht länger als einige Stunden im Ohr lassen, da es z.B. zu Entzündungen kommt. Somit sind Hörgeräteträger bei technischen Ausfällen oder medizinischen Komplikationen, die teilweise Tage und Wochen betragen können, wie auch bei der notwendigen Herausnahme der Geräte, z.B. nachts, weiterhin genauso taub oder schwerhörig wie ohne die Hilfsmittel.
Genauso liegt die Situation bei gehörlosen/tauben bzw. hörbehinderten Personen mit einer CI-Versorgung. Auch mit diesen Geräten ist oftmals kein durchschlagener Hörerfolg, wie Hörende es kennen, zu erzielen. Die Betroffenen bleiben trotz CI hörbehindert mit einer großen Bandbreite unterschiedlicher akustischer Einschränkungen, die kaum zu kategorisieren sind. Auch CIs sind anfällig mit z.B. tagelangen technischen Ausfällen oder medizinischen Nebenwirkungen, auch werden sie z.B. nachts abgelegt. Dann sind die Betroffenen genauso taub oder schwerhörig wie ohne CI-Versorgung.
Aus der Sicht des DGB ist es daher unabdingbar, dass sich ungeachtet des technischen Fortschritts bei weiter bestehenden Einschränkungen der Geräte selbst, nicht vorhersehbaren Problemen bzw. Nebenwirkungen und Ausfällen der technischen Hilfsmittel, sich die Einstufung des GdB alleine am Ausmaß der primären Hörbehinderung orientieren muss. Ein Abzug des GdB aufgrund einer bestehenden Versorgung mittels Hörhilfen (Hörgerät, CI u.a.) ist abzulehnen. Dies, da Hörhilfen u.a. aufgrund eines nicht erreichbaren Hörvermögens wie es dem Hörender entspricht, wie auch der bestehenden, in ihrem Ausmaß nicht vorhersehbaren und für die Betroffenen nicht steuerbaren, Einschränkungen keinen konstanten und sicheren, dem normalen Hören vergleichbaren Ausgleich der Hörbehinderung bieten können.
Nachteilsausgleich, hier: WERTMARKE
Für gehörlose/taube bzw. hörbehinderte Menschen, die Gebärdensprachnutzer*innen sind, hat der persönlich-kommunikative Austausch mit anderen Gebärdensprachnutzern eine überragende Bedeutung für die Lebensqualität auf allen Ebenen. Nicht nur für sozialen Austausch untereinander, auch für das berufliche und Alltagsleben, einschließlich kultureller Veranstaltungen, wie Treffen und Aktivitäten der Gehörlosenvereine und Gehörlosensportvereine, Gebärdensprachfestivals, Kulturtage etc. müssen und werden weite Wege in Kauf genommen. Hinzu kommt, dass es vermehrt gehörlosengerecht-gebärdensprachliche medizinische (z.B. Praxen von Zahnärzten, Psychotherapeuten, stationäre und ambulante psychiatrische Angebote, Gesundheitstage für Gehörlose, z.B. in Bayern), soziale (EUTB für Gehörlose/Hörbehinderte), wirtschaftliche (z.B. Frisöre) u.a. Angebote gibt. Diese finden sich allerdings weit verstreut und zumeist in Ballungsgebieten, was wiederum für den einzelnen Betroffenen meist weite Anfahrtswege bedeutet.
Ein wichtiger Aspekt, der immer wieder als Gegenargument genutzt wird, ist, dass es ortsnah Gebärdensprachdolmetscher gebe. Zum einen ist deren Zahl immer noch zu gering, so dass es oft lange Wartezeiten für Einsätze gibt. Vor allem aber ermöglicht dieses nicht, das oft gewünschte oder auch primär für notwendig angesehene, z.B. im ärztlich-psychotherapeutischen Setting, 4-Augen-Gespräch. Insofern kann hier argumentativ die Möglichkeit von Gebärdensprachdolmetschern nicht die Vorrangigkeit des direkten Kontakts mit anderen Menschen bzw. Dienstleistern ersetzen.
Moderne Medien, wie Skype, Facebook u.a. können das Leben der modernen Menschen, sowohl der Hörenden wie der Gehörlosen und Hörbehinderten (=Gebärdensprachnutzer*innen), erleichtern. Zudem bleiben aufgrund der oftmals eingeschränkten Lese- und Schreibfähigkeiten schriftliche Medien vielen Gehörlosen und Hörbehinderten damit trotzdem weiterhin verschlossen. Videoübertragungsmöglichkeiten erleichtern Vieles, ersetzen jedoch weder bei Hörenden noch bei den Gehörlosen den zwischenmenschlichen persönlichen Kontakt und Austausch, den Gehörlose gebärdensprachlich in der näheren Umgebung ohnehin nur sehr eingeschränkt finden können.
Aufgrund der o.g. Aspekte sind Gehörlose und Hörbehinderte trotz moderner technischer Weiterentwicklungen weiterhin darauf angewiesen die oft weiten Entfernungen durch ÖPNV oder das eigene Auto zu überwinden. Hinzu kommt, dass Gehörlose und Hörbehinderte öfters arbeitslos sind oder in schlechter bezahlten, z.T. vom Wohnsitz auch weit entfernten, Tätigkeiten unterkommen müssen. Insofern fordert der DGB für alle Gehörlosen und Hörbehinderte mindestens das Fortbestehen der heutigen Kriterien der Zuerkennung der Wertmarke. Eine Einschränkung der Zuerkennungskriterien bis hin zum befürchteten Wegfall der Wertmarke wird erhebliche Konsequenzen mit sich ziehen, deren Ausmaß nach heutigen Erkenntnissen massiv sein werden: emotional-soziale Isolation der betroffenen Gehörlosen und Hörbehinderten, Einschränkungen in Gesundheit und Pflege, wirtschaftliche Verluste, etc.
Die Stellungnahme 01/2019 in pdf-Datei können Sie herunterladen und gerne weiterleiten.
Wir unterstützen die Petition "Teilhabeabbau durch Verschlechterung der Versorgungsmedizin-Verordnung stoppen" (Link hier) und bitten, diese Petition online zu unterschreiben.
Gebärdensprachkompetenz - Barrierefreiheit in der Praxis auch für gehörlose Patienten
31. Mai 2018
Ob in der Arztpraxis oder im Krankenhaus: Die Verständigung zwischen gehörlosen oder hörgeschädigten Patienten und dem medizinischen Personal macht meistens Probleme. Beherrschen der Arzt oder seine Mitarbeiter zumindest rudimentär die Gebärdensprache, wird es leichter.
Wer einen Arzttermin braucht, greift zum Hörer und ruft bei einer Arztpraxis an. Für Gehörlose wie Lela Finkbeiner gestaltet sich das schwieriger. Um einen Termin zu bekommen, schreibt die Berlinerin eine E-Mail. "Antworten auf E-Mail-Anfragen lassen leider meistens auf sich warten", schildert die 44-jährige Sozialpädagogin ihre Erfahrungen. Nicht selten bekäme sie eine Rückmeldung erst auf Nachfrage. Komme es zum Termin, warte die nächste Hürde an der Rezeption: Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) wüssten in der Regel nicht, wie sie mit einem gehörlosen Menschen umgehen sollen.
In Dr. med. Uta Simons Praxis in München ist das anders. Die Allgemeinmedizinerin beherrscht die Gebärdensprache und auch die MFA der Gemeinschaftspraxis sind im Umfang mit Gehörlosen geschult. E-Mail-Anfragen beispielsweise beantworten diese zeitnah. "Terminabsprachen machen wir aber auch per SMS", erklärt die Ärztin. Dafür gäbe es ein eigenes Praxishandy. Außerdem seien die Akten gehörlsoer Patienten markiert, sodass jeder Praxismitarbeiter sofort über den besonderen Betreuungsbedarf im Bilde ist. "Dazu gehört beispielsweise, dass eine gehörloser Patient im Wartezimmer nicht aufgerufen wird, wenn er an der Reihe ist", führt Uta Simons aus. Es werde mindestens Blickkontakt hergestellt, gegebenfalls hingegangen und der Patient abgeholt.
Für die Bedürfnisse Gehörloser wurde Uta Simons während ihrer Krankenhauszeit auf der Geriatrie sensibilisiert. Dort erlebte sie, wie schwer die Verständigung zwischen gehörlosen, hörgeschädigten und schwerhörigen Menschen und dem medizinischen Personal ist. Eines Tages lernte sie im privaten Umfeld erste Zeichen und Begriffe der Gebärdensprache kennen. "Das hat mich angesprochen und ich habe mich für einen Kurs Deutsche Gebärdensprache an der Volkshochschule entschieden", sagt die Münchnerin.
Als sie sich schließlich in eigener Praxis niederließ, kamen auch mehrere der Gehörlosen als Patienten, die sie während des Gebärdensprachkurses kennengelernt hatte. "Niedergelassene Ärzte, die Gebärdensprache beherrschen, sind nach wie vor rar", weiß die Allgemeinmedizinerin. Da Gehörlose gut vernetzt seien und sich untereinander helfen, habe es gewirkt wie ein Magnet: Nach und nach kamen auch gehörlose Partner, Verwandte, Freunde und Bekannte ihrer gehörlosen Patienten in ihre Praxis. Heute sind fast ein Drittel von Uta Simons rund 1.000-köpfigem Patientenstamm Gehörlose.
"Mit meinem Repertoire an Gebärdensprache kann ich mich gut mit Gehörlosen verständigen" erklärt die Ärztin. Die Menge an zentralen Begriffen wie Schmerz oder Rezept, die im Gespräch mit Patienten regelmäßig wiederkehrten, sei überschaubar. "Aber natürlich kann es trotzdem hilfreich sein, wenn der Patient einen Gebärdensprachdolmetscher mitbringt", räumt Uta Simons ein. Die Dolmetscher seien auch für komplexere Arztgespräche geschult und ihren Einsatz übernehmen die Krankenkassen. Dolmetscherkontakte hat sie deshalb in Form von Visitenkarten immer griffbereit und, wo nötig, helfe das Praxisteam den Betroffenen bei der Organisation. Müssen Patienten beispielsweise an einen weiterbehandelnden Facharzt überwiesen werden, werde für einige der gehörlosen Patienten nicht nur der dortige Termin abgesprochen, sondern zum Termin auch der Gebärdensprachdolmetscher mitorganisiert.
Missverständisse vermeiden
Auch der gehörlose Thomas Zander versucht Verständigungsprobleme bei Arztterminen zu minimieren, indem er einen Gebärdensprachdolmetscher organisiert. "Wenn mir das aber wieder einmal nicht gelingt, weil Dolmetscher gefragt und oft ausgebucht sind, versuche ich es an der Rezeption und im Behandlungszimmer mit Aufschreiben", schildert er. Bei Routineuntersuchungen würde das einigermaßen klappen. "Aber wenn es komplizierter wird, reicht Aufschreiben nicht aus", ist die Erfahrung des Autors und Moderators für Gehörlosensendungen.
In Deutschland leben derzeit rund 80.000 gehörlose Menschen, dazu ein Vielfaches an Hörgeschädigten, Tendenz steigend. "Und viele Gehörlose sind schon erleichtert, wenn in ihrer Arztpraxis oder ihrem Krankenhaus wenigstens Grundzüge der Gebärdensprache beherrscht werden", weiß Ulrike Gotthardt, Präsidiumsmitglied des Deutschen Gehörlosen-Bundes. Das gelte auch für Patienten mit Cochlea Implantat (CI), denn dass diese normal hören und ohne Mühe in normales Gespräch verstehen könnten, sei ein verbreiteter Irrglaube. "Oft ist Gebrädensprache auch für CI-Träger eine wichtige Unterstützung", weiß die Psychiaterin.
Gebärdensprache, das sei für viele Menschen wie für Rollstuhlfahrer die Rampe: Wichtiger Teil des barrierefreien Zugangs zur medizinischen Versorgung. Und je kompetenter der Arzt darin ist, desto besser. "Medizinern entgeht häufig, dass Angehörige, die zum Arztbesuch zum Dolmetschen mitgebracht werden, selten angemessen übersetzen", berichten Gothardt Betroffene. Da auch später zu Hause meistens nicht ausreichend vermitteln werden könne, was der Arzt gesagt hat, käme es bei den Patienten oft zu erheblichen Missverständnissen in Bezug auf die Diagnose, die Einnahme von Medikamenten oder die Empfehlungen des Arztes.
Gotthardt hofft, dass mit der Zeit mehr Ärzte Gebärdensprache beherrschen werden. Zuversichtlich stimme, dass Gebärdensprache neuerdings an manchen Hochschulen wie der Uni München gleich im Medizinstudium vermittelt werde. "Und auch, dass nach und nach mehr niedergelassene Ärzte gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und eine weitestgehend barrierefreie Praxis bieten wollen", beobachtet Gotthardt. Und dazu würde heute auch Gebärdensprachkompetenz gehören. In Metropolen wie München (etwa 900 Gehörlose), Hamburg (etwa 2.300 Gehörlose) oder Berlin (etwa 6.000 Gehörlose) profitieren diese Praxisinhaber im Gegenzug von einem Standortvorteil.
Hilfe auch bei Aphasien
Die Münchner Ärztin Simons profitiert von ihrer Gebärdensprachkompetenz allerdings noch in ganz anderer Hinsicht. "Diese plastische Sprache ermöglicht mir beispielsweise auch die Verständigung mit Patienten, die nach einen Schlaganfall Aphasien haben", erklärt sie. Und selbst mit fremdsprachigen Patienten sei eine sehr hilfreiche Verständigung möglich. Über alle praktischen Vorteile hinaus bereichere ihr Gebärdensprache-Know-how ihre Beziehung zu sämtlichen Patienten. "Das Miteinander wird lebendiger", freut sich Simons - und das mache ihr Berufsleben sehr befriedigend.
Empfehlungen
- Mitarbeiter für den besonderen Umgang mit gehörlosen Patienten sensibilisieren und wenn möglich schulen
- Patientenakte mit Hinweis auf Gehörlosigkeit versehen
- gehörlose Patienten ohne Gebärdensprachdolmetscher darüber informieren, dass die Kasse die Kosten für einen solchen übernimmt; gegebenfalls Unterstützung anbieten (Adressen von Dolmetschern: www.bgsd.de)
- erfragen, wie der Hörgeschädigte am besten klarkommt und dem im Weiteren folgen
- normal laut, deutlich und langsam sprechen, damit der Patient zumindest einen Teil des Gesagten von den Lippen ablesen kann (durchschnitlich 30 Prozent)
- möglichst frontal und in günstigem Lichtverhältnis zum Patienten positionieren, Blickkontakt suchen und halten, auf Signale achten, ob der Patient folgen kann
- unterstützend schreibend verständigen, dabei auf leichtverständliche Ausdrucksweise achten (möglichst wenig Fremd- oder Fachwörter)
- sicherstellen, dass der gehörlose Patient im Wartebereich mitbekommt, wenn er an der Reihe ist; wenn möglich Blickkontakt aufnehmen und auffordende Gesten benutzen, alternativ durch Hingehen und Antippen informiren